Mittwoch, 22. April 2015

A matter of attitude

Ich habe letzte Woche eine Entscheidung getroffen.
Ich saß zusammen mit einer Gruppe vietnamesischer Freiwilligen auf der Dachterasse und wir tobten unsere Kreativität aus (was ich schon lange nicht mehr getan hatte) um Dekoration für den "ICYE Open Day" herzustellen, ein Informationstag für alle die gern einen Freiwilligendienst im Ausland machen wollen.
Wir malten und redeten und da ich viele der Freiwilligen noch nicht kannten, redete ich über meine Zeit hier in Vietnam und wie dankbar ich bin und dass ich ja noch ein halbes Jahr hier habe. Naja, wer jetzt nachrechnet merkt, dass das mit dem halben Jahr nicht wahr ist, genau genommen sind es jetzt noch 4 Monate bis ich wieder im Flieger nach Hause sitze. Nachdem das langsam in meinem Kopf eingesickert war, war ich erstmal ein bisschen betröpelt. In 4 Wochen bleiben dann nur noch 3 Monate und dann sind es nur noch 8 Wochen bis zu meinem letzten Monat hier in Vietnam.

Direkt am Anschluss hatte ich ein längeres Gespräch mit Tom und Moritz. Wir waren uns einig, dass es Zeit für etwas neues wird.
Ich muss sagen, in der letzten Zeit hatte ich etwas Motivationsprobleme. Ich war es satt ein Großteil meiner Arbeit vor dem Laptop zu verbringen,  mir viel es schwer morgens vor 9 Uhr aufzustehen, ich verbrachte zu viel Zeit mit Laptop und Handy ohne irgendetwas produktives auf die Reihe zu stellen. Manchmal stand ich auf, ging ins Office, verbrachte den ganzen Tag im Haus und ging wieder schlafen. Und manchmal hatte ich das Gefühl, ich hab keinen großen Einfluss auf irgendetwas und wirklich lernen tu ich auch nichts mehr.
Alles in allem denke ich sind das Probleme, die fast automatisch auf einen zukommen, wenn man sich für einen einjährigen Freiwilligendienst im Ausland entscheidet. In dieser Zeit ist was vorher neu war nicht mehr neu, vieles aufregendes wird normal. Während sich das nicht ändern lässt, ist es meine Entscheidung mit welcher Einstellung ich damit umgehe.



In diesem Sinne: Es ist für mich Zeit für einen mentalen Neuanfang. Ich möchte mich nicht beklagen, ich möchte genießen und in dem Leben das ich führe, mit den Menschen die mich begleiten und mit der Arbeit die ich tue gibt es mehr als genug zu genießen. Ich möchte mich öffnen für all die kleinen und großen schönen Dinge, die ich jeden Tag sehe und mit positiver Einstellung etwas an mein Umfeld zurück geben. Das ist meine Entscheidung.

Montag, 20. April 2015

Funfact: Das Keo Oishi Ôi Bonbon

In Vietnam gelten Bonbons als offizielles Zahlungsmittel. Es ist nach Dong und in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit US-Dollar sogar das meistverbreitetste Zahlungs- und vorallem Rausgabemittel.
Der Grund: Im Supermarkt haben viele Dinge seltsame Preise, sodass eine Rechnung  für 2 Bier und eine Banane gut und gerne auf einen Betrag  von 28 480 vietnamesischen Dong herauslaufen kann, was ca. 1,20€ entspricht. Also drücke ich der Kassiererin 30 000 Dong in die Hand.
Da es jedoch keine Münzen gibt und der kleinste Schein, 500 Dong wohl einen höheren Material als Geldwert hat, bekomme ich eben nicht 1 520 Dong zurück, sondern nur 1000 Dong und als Entschädigung: ein KEO-Oishi-Ổi Bonbon mit Ananas-Geschmack.
Wie weitgreifend dieses 500dong/1Bonbon-Konstrukt geht, wer daran verdient (vermutlich die Gesundheitslobby) und wie denn die Inflationsrate aussieht, muss noch untersucht werden. Ich als kritischer, nach westeuropäischen Maßstäben erzogener Bürger finde das jedenfalls nicht gut: Man möchte ja noch selbst entscheiden was mit seinem Geld geschieht. Mein nächster Schritt wird sein ab jetzt alle Bonbons zu sammeln um dann zu versuchen auf der Bank 2 Millionen Bonbons gegen 40€ einzutauschen.
Des weiteren trägt das Bonbon meines Gutachtens nach auch gar kein Wasserzeichen und es ist demnach nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Schwarzmarkt-Fälschungen auf den Markt gespült werden. Naja mich fragt ja niemand.

(Achtung, das war ein kleines bisschen satirisch. Entschuldigung Oma :))

Dienstag, 7. April 2015

Statusupdate No.2: Viel Essen und eine Reise

Tết ist für die Vietnamesen wie wenn Weihnachten und Silvester auf einen Tag fallen würden, wortwörtlich. Es ist das Neujahrsfest im Mondkalender, der für dieses Land in dieser Hinsicht nach wie vor vorherrschende Himmelskörper (auch wenn die Sonne sehr stark auf dem Vormarsch ist).
Das Fest streckt sich über mindestens eine Woche hinweg, in der die Stadt tatsächlich ganz schön lahm liegt. Dieser Zustand hat mich dazu veranlasst einen leicht verzweifelten Bericht für den VPV-Blog zu schreiben. Alle die Dem-Englisch-Mächtigen seht selbst:
https://vpvhanoi.wordpress.com/2015/03/12/my-first-tet-in-vietnam/
Für die anderen ein schneller Bilderreport:

Tag des Küchengottes: Fische werden freigelassen um den Küchengott in den Himmel zu begleiten
"Phúc", Freude für mich am ersten Tag des neuen Jahres

Frühlingsrollen
brennende Geldscheine für die Ahnen

Glückspiele

Die letzten Tage bei der Familie einer Freundin auf dem Land


Alles in allem habe ich das Tet-Fest sehr genossen und war froh mit meiner Entscheidung in Hanoi zu bleiben. Allerdings waren so viele meiner Freunde reisen, dass ich Angst hatte gar nix zu erzählen zu haben. Und so buchte ich ein paar Tage vorher noch einen Flug nach Da Nang, die "Hauptstadt" der zentralen Provinzen Vietnames. Ich buchte alleine, um mich zu versuchen, um zu tun auf was ich Lust hatte und weil es mir das letzte mal in Saigon, wo ich schon 2 Tage auf eigene Faust reiste so viel Spaß gemacht hat. (Böse Zungen könnten behaupten ich bin alleine gegangen, weil sonst keiner da war um mich zu begleiten - das ist natürlich völliger Quatsch.)
Angekommen in der Sonne Da Nang stellte sich sogleich das Urlaubsgefühl ein. Mir war es völlig gleich, dass wir eine Stunde auf ein vorbestelltes Taxi nach Hoi An warten mussten, in das mich meine zwei italienischen Flugnebensitzerinnen und zur Hälfte ich mich vielleicht auch selbst eingeladen hatte um Geld zu sparen.

Es wurde schon oft so geschrieben, aber es stimmt: Hoi An ist wirklich zum verlieben. Durch einen versandeten Fluss entwicklungsmäßig gestoppt, wirkt es so als sei die Zeit ein bisschen stehen geblieben - und dass obwohl es ständig von Touristenmassen besucht wird. Da die Laternendichte ebenso hoch ist wie die des Wassers bekommt das Städtchen vorallem am Abend einen sehr eigenen Flair. Nachdem ich die ersten Tage in Stadt und Strand einfach so fließen ließ, entschloss ich am letzten Tag doch noch meinen Pflichten als Tourist nachzukommen; machte einen Kochkurs und lies mir ein Hemd für 20€ maßschneidern (das leider gerade anfängt zu schimmeln, aber das ist eine andere Geschichte).
Lustige Gruppe von vietnamesischen Jugendlichen, die ich zufällig getroffen und meinen Nachmittag geteilt habe
Die letzte Nacht vor meiner Weiterreise mit gemietetem Motorbike in die Kaiserstadt Hue verbrachte ich in einem Homestay wortwörtlich "Unter der Kokospalme" direkt am Strand, was sich als Glücksfall herausstellte. Ich gesellte mich noch eine Weile zu ein paar Backpackern die ich schon vorher im Hostel getroffen hatte und die Whiskey-Cola im Sand unter den Sternen tranken. Da ich aber am nächsten Morgen früh raus wollte und die Stimmung schonbald in das übliche Backpackergegröhle (nix für ungut) schwappte, machte ich noch einen kleinen Nachtspaziergang und lies mir lieber die Wellen um die Zehen schwappen. Nach einer Weile blieb ich stehen und schaute staunend in den Himmel wo die Sterne leuchteten (das sieht man in Hanoi so gut wie nie) und dann auf meine Füße wo der Sand leuchtete. Wohou warte kurz, der Sand leuchtet? Ich kramte heftig in meinem Kopf, ich hatte, da war ich mir sicher, nichts geraucht und auch sonst hatte niemand Gelegenheit mir Drogen in den Drink zu mischen. Ich lief los, kickte dabei den Sand und sah zu wie sich 1000 kleine leuchtend gelbe Punkte wie Glühwürmchen über die nasse Fläche direkt am Meer ergossen. Was ich da live sehen durfte war das sogenannte "Meeresleuchten" das von Mikroorganismen ausgelöst wird und anscheinend immer mal wieder über Südostasien verteilt auftritt. Für mich war es jedenfalls ein einziges Staunen.

Ein Mann und seine Maschine

Nach einer durch Gockel und Dorfradio stark verkürzte Nacht (das Radio gibt es überall auf dem Land und es beschallt meistens ab 5 Uhr morgens das ganze Dorf, so dass man gezwungen ist arbeiten zu gehen und die Wirtschaft anzukurbeln - meine Theorie), stieg ich also am nächsten Tag auf mein Roller und machte mich auf Richtung Norden, Richtung Hai-Van- oder auch Wolkenpass und dann Richtung Hue immer am Meer entlang. Der Hai-Van-Pass ist die Wettergrenze Vietnams und wurde durch die britische Sendung "Top Gear" weltweit berühmt, "Top Gear" wurde durch den Moderator Jeremy Clarkson weltweit berühmt und der wiederum wurde durch seinen schwarzen Humor weltweit berühmt, der ihn erst neulich wieder in die Schlagzeilen brachte, da er ihm seinen Job kostete. Der Pass mit dem Motorbike überquert bringt wirklich spektakuläre Ausblicke auf die Küstenlinie und war sicherlich eins der Highlights meiner Reise.
 Nachdem ich wieder am Fuße des Berges angekommen war wollte mir eine Köchin, zusammen mit meiner Nudelsuppe auch gleich noch ihre 15-jährige Tochter zur Heirat mit servieren, da ich aber für den Abend schon ein Hostel gebucht hatte musste ich dankend ablehnen und das nette Mädchen in gebrochenstem vietnamesisch mit Hanoier Akzent (wow anscheinend habe ich schon einen Akzent) auf den nächsten vorbeifahrenden Backpacker vertrösten, dessen Zeitplan etwas mehr Spielraum (womöglich 70 Jahre, aber viele Rucksackreisende sind ja zeitlich flexibel) zulassen würde.
In meiner Hand - fangfrisches Krabbenfleisch
Das Grabfeld....
Die Fahrt ging weiter zu einem komplett einsamen Strand an dem ich von vier älteren Herrschaften zu Bier und Krabbe angehalten wurde und von dort kurz vor Einbruch der Dunkelheit und des Regens zu einem quadratkilometergroßen Friedhof über den ich zufällig stolperte. Da erstreckten sich wirklich tausende von bunt bemalten Grabsteinchen und -türmchen, die ich in dieser Art noch nie vorher gesehen hatte und um die sich auch keiner kümmerte. Für mich ist dieser Quadratkilometer nach wie vor ein Rätsel und ein Wunder.
....und meine Reaktion darauf.

Die 3 Tage in Hue gingen recht schnell vorüber, ich besichtigte die riesige, beeindruckende Zitadelle aus der Zeit als die Stadt noch dem Kaiser gehörte und als Hauptstadt fungierte und ärgerte mich, dass ich keinen Tourguide hatte, der mir die Hintergründe der Geschichte eines Landes erklären konnte, dass doch jetzt zumindest ein bisschen auch meines geworden ist.
Ich traf eine Menge verrückte Menschen, unter anderem den britischen Joko Winterscheidt (Beweisfotos fehlen leider), mit denen ich dementsprechend auch abends noch viel Spaß hatte. Das ist das schöne an den Hostels. Wenn man Menschen möchte, wenn man Spaß möchte, dann bekommt man das auch.
In Hue buchte ich mir ein Zugticket nach Da Nang, da dieser wieder den Weg zurück an der Küste entlang nimmt und nicht wie der Bus den Tunnel. So hatte ich noch einmal Zeit den Kopf aus dem Fenster zu strecken und zwei drei Fotos für euch zu schießen.


Der "Lady-Buddha", der über die Stadt wacht.
Da Nang ist eine wirklich großartige Stadt. Sie bietet kaum richtige Sehenswürdigkeiten, profitierte in den letzten Jahren anscheinend aber von einer sehr guten Lokalpolitik und ist dadurch um einiges sauberer und ruhiger als Hanoi - und der Tra Da, der Eistee ist überall umsonst. Das wurde mir von mehreren Quellen als größter Pluspunkt der Stadt vehement zugesichert. In einem Internetforum hatte ich im vorhinein eine lokale Studentin kennengelernt, die mich gleich vom Zug abholte und einmal durch die ganze Stadt, zu einer Pagode und dem Strand führte. Am Abend sahen wir einer Brücke in Drachenform noch zu wie sie Feuer und Wasser speihte und die Stadt bewachte - eine feuerspuckende Brücke: Only in Vietnam.
Die Freundlichkeit meiner Reiseleiterin war mal wieder beeindruckend und so bot sie mir gleich noch an, mich am nächsten morgen zum Flughafen zu bringen, wo ich schweren Herzens den Heimweg antrat.
Zentralvietnam - du hast mein Herz genommen, meinen Kopf frei gemacht, aber meinen Magen gefüllt. Ich denke das ist ein fairer Tausch!

(Denkt daran - Wenn ihr mehr Fotos sehen woll, einfach links auf die Bildergalerie klicken)